Kleine Anfrage: Beteiligung der Landesregierung an der Entscheidung des Bundes zur vollständigen Abschaltung der drei letzten verbliebenen Kernkraftwerke
Ich frage die Landesregierung:
- Stand sie in den Jahren 2022 und 2023 mit der Bundesregierung zu der Frage im Austausch, wie mit dem Betrieb der drei in Deutschland verbliebenen Kernkraftwerke (KKW) infolge der durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verursachten Energiekrise weiterverfahren werden soll (wenn ja, bitte mit Angabe der Kontaktformen, des jeweiligen Datums, der Inhalte des Austauschs, der beteiligten Ministerien/Ressortebenen/Behörden/Gesprächspartner und der Ergebnisse)?
- Hat sie eigenständig Eingaben bei der Bundesregierung gemacht, um sich an der 2022 neu begonnenen Debatte über die Rolle der Kernkraft für die Energiesicherheit Deutschlands zu beteiligen (wenn ja, bitte mit Angabe der Kontaktformen, des jeweiligen Datums, der Inhalte der jeweiligen Eingabe, der beteiligten Ministerien/Ressortebenen/Behörden/Gesprächspartner und der Ergebnisse; wenn nein, bitte mit Begründung)?
- Hat die Bundesregierung bei ihr – insbesondere aufgrund ihrer atomrechtlichen Aufsicht über den verbliebenen KKW-Standort im Land – eine fachliche Einschätzung zur Möglichkeit des Weiterbetriebs des Kernkraftwerks Neckarwestheim II eingeholt (wenn ja, bitte mit Angabe der fachlichen Einschätzung, der gezogenen Schlussfolgerung sowie der beteiligten Ministerien/Ressortebenen/Behörden/Gesprächspartner; wenn nein, bitte mit Begründung)?
- Sieht sie die von ihr gegebenenfalls gemachten Ein- und Angaben, die im Zusammenhang mit dem in den Fragen 1, 2 und 3 abgefragten Austausch stehen, von der Bundesregierung berücksichtigt?
- Inwieweit und mit welcher Conclusio sind in die Rückmeldung der Landesregierung an die Bundesregierung Folgen der Abschaltung von Neckarwestheim II für die Netzstabilität und die Preisgestaltung (Strompreise und Netzentgelte) sowie auf den steigenden Redispatch-Bedarf aufgrund des notwendigen Hochlaufs bereits aus dem Markt genommener Reservekraftwerke im für Baden-Württemberg relevanten Netzgebiet eingeflossen?
- Wurde sie aus ihrer Sicht von der Bundesregierung bei der Entscheidung über die Zukunft der zivilen Nutzung der Kernenergie in Deutschland, angesichts der Bedeutung und Tragweite der Entscheidung, insgesamt in ausreichender Form einbezogen?
- Wie bewertet sie aus heutiger Sicht unter Berücksichtigung des gesteigerten Einsatzes von Kohlekraftwerken – insbesondere unter klimapolitischen Aspekten – die vollständige Aufgabe der Kernkraft in Deutschland und in Baden-Württemberg vor dem Hintergrund einer möglichen Gestaltung unseres Energiesystems, nach der ein festgelegter Anteil der Stromversorgung aus Kernkraftwerken erfolgt, während der andere Anteil über Solar- und Windkraftanlagen gewonnen wird?
- Ob und gegebenenfalls mit welcher Position beteiligt sie sich an der Diskussion über eine mögliche energiepolitische Zukunft mit Kernreaktoren der nächsten Generation in Deutschland?
Begründung
Der Erfolg des Umbaus der Energieversorgung in Deutschland und Baden-Württemberg hin zu einem klimafreundlichen System ist untrennbar mit ausreichend und verlässlich zur Verfügung stehenden sowie möglichst klimaschonenden Brückentechnologien verbunden. Allerdings treten die zeitlichen und finanziellen Schwierigkeiten beim Bau neuer Gaskraftwerke, dem Ausbau der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen von Nord- nach Süddeutschland und bei der Umsetzung des vereinbarten Kohleausstiegs immer deutlicher zutage. Hinzu kommen drastisch steigende Energiepreise. Kurz: Deutschland befindet sich in einer Energiekrise. Braunkohlekraftwerke wurden als Versorgungsreserve reaktiviert, auf Atomstrom wird über Importe weiterhin in großem Umfang zurückgegriffen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die Landesregierung zwischenzeitlich die Aufgabe der friedlichen Atomenergienutzung in Deutschland beurteilt; vor allem aber, ob und gegebenenfalls wie sie in die Entscheidung der Bundesregierung einbezogen worden ist, dass in Deutschland ab dem 15. April 2023 endgültig kein Strom in Kernkraftwerken mehr produziert wird.