Corona-Krise und Landwirtschaft – aktuelle Herausforderungen
Die Corona-Krise stellt auch die Landwirtschaft vor besondere Herausforderungen. Die Landwirtschaft ist hier aktuell in drei Bereichen betroffen:
- Lebensmittelversorgung
- Sicherstellung von Saisonarbeitskräften
- Finanzielle Hilfe für Betriebe
1. Lebensmittelversorgung
- Welche Maßnahme ergreift das MLR um im Falle von einbrechenden Lieferketten die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sicher zu stellen?
In erster Linie wird vonseiten des MLR mit den weiteren Ministerien eine bestmögliche Kommunikation mit Verbänden und Unternehmen der Land- und Ernährungswirtschaft betrieben. Bislang gibt es keine Anzeichen von coronabedingten Störungen in der Urproduktion von Lebensmitteln.
Bei längerem Andauern des Corona-Geschehens und weiter zunehmenden Erkrankungszahlen kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass bei der arbeitsteiligen, regionalen und überregional verflochtenen Lebensmittelkette Unterbrechungen eintreten, die zu Engpässen führen können.
Das MLR unterstützt bzw. begrüßt deshalb, dass
- Gesundheitsämter und Länder nach Einzelfalllösungen suchen sollen, um Betriebe aufrecht zu erhalten,
- die Kinderbetreuung für Arbeitnehmer, die in der Lebensmitteversorgungkette arbeiten gesichert wird,
- sensible Unternehmen mit Hygienestandards bei der Lebensmittelproduktion ausreichend mit Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln ausgerüstet werden,
- Betriebshilfen bei Erkrankungen von Betriebsleitern und Betriebsleiterinnen sichergestellt werden,
Die Ernährungswirtschaft ist insbesondere auf den EU-Binnenmarkt ausgerichtet. Derzeit wird keine Handlungsmöglichkeit und auch keine Notwendigkeit gesehen, sich von dieser Orientierung zu verabschieden. Dies gilt insbesondere, das gemessen an der baden-württembergischen Nachfrage und Versorgungsbedarf, eine Versorgung mit Lebensmittel alleine aus der baden-württembergischen Urproduktion nicht ausreichend ist.
Zudem gilt es auch zu berücksichtigen, dass auch kurze Versorgungsketten auf Grund coronabedingter Störungen ausfallen können. Unbeschadet davon wird in Baden- Württemberg weiterhin und gerade in solchen Zeiten die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten großgeschrieben (siehe z. B. im Rahmen der Regionalkampagne „Natürlich VON DAHEIM“, „Hofladen-App“)
- Werden bereits zum jetzigen Zeitpunkt Anreize an die Landwirtschaft gerichtet vermehrt Grundnahrungsmittel anzubauen?
Die Produktion von Lebens- und auch Grundnahrungsmitteln sieht die gängige Praxis in einem ausreichenden Maße vor. Momentan besteht hier auch im Lichte einer sozialen Marktwirtschaft kein Handlungsbedarf. Aktuell gibt es keine Veranlassung und Rechtsrahmen, in die Urproduktion einzugreifen. Wenn Lieferketten coronabedingt unterbrochen werden, würde dies natürlich auch die Versorgung mit regionalen Grundnahrungsmittel betreffen.
- Sollten Tierbestände (Schweine, Hühner, Kühe etc.) reduziert werden, damit das Getreide nicht direkt in die Futtermittelproduktion fließt?
Eine Reduktion der Tierbestände würde primär Druck auf den Markt ausüben. Landwirtschaftliche Nutztiere stehen bei einer kurzfristigen Betrachtung zudem nicht in direkter Nahrungskonkurrenz zum Menschen, da hier auch andere Getreidesorten und -Qualitäten für die Fütterung angebaut bzw. verwendet werden. Bisher besteht eine enge Verbindung mit dem Lebensmittelhandel. Aktuell zeigt sich eine gewisse Entspannung in der Bevölkerung im Einkaufsverhalten, die Hamsterkäufe lassen nach. Es besteht aktuell kein Anlass, in der Primärproduktion einzugreifen. Die entsprechenden Auswirkungen ein solchen Handels bzw. Maßnahmen würden es mittel- bis langfristig Wirkung zeigen können.
- Ist vorgesehen bestimmte Kulturarten bei der Versorgung der Bevölkerung durch andere zu ersetzen Bsp. Futtermais durch Weizen?
Ergänzend zur obigen Antwort gibt es im Getreideanbau unterschiedliche Qualitäten, für die Backwarenproduktion und die Fütterung von Tieren. Außerdem ist ein kurzfristiges Umlenken der Warenströme bzw. des Anbaus i. d. R. nicht mehr möglich, da das Wintergetreide längst ausgesät ist. Es wird auch hier keine Veranlassung gesehen, in die Urproduktion einzugreifen. Zudem steht kein Instrumentarium kurzfristig zur Verfügung, dies zu steuern.
- Wird angestrebt den Anbau von lagerfähigen Gemüsearten zu erhöhen und den Export von Lebensmitteln zu reduzieren?
Nein, in einem EU-Binnenmarkt haben wir keine Möglichkeit, den freien Warenverkehr zu unterbinden. Nur pflanzengesundheitliche Vorgaben oder eine Gesundheitsgefahr würden dies legitimieren. Aufgrund der aktuellen Situation und Herausforderungen besteht auch keine Veranlassung, über derartige Maßnahmen nachzudenken.
- Was passiert, wenn einzelne Betriebe krankheitsbedingt ausfallen?
Am 23.03.2020 wurde die Jobvermittlungs-Plattform „Baden-Württemberg hilft“ gestartet. Über diese Plattform ist es möglich mit landwirtschaftlichen Betrieben in Kontakt zu treten und sich als Arbeitskraft zu melden, um diese bei anfallenden Arbeiten (Ernte) zu unterstützen, um Engpässe an Arbeitskräften aus europäischen Ländern zu überbrücken bzw. auszugleichen.
Auch hier gilt die Fürsorge, dass Verdachtsfälle wie auch bestätigte Infektionen der Bezirksverwaltungsbehörde (Gesundheitsamt) umgehend zu melden.
- Damit verbunden, gibt es Unterstützung für Betriebe beim Ausfall anderer Betriebe mit diesen zu kooperieren und deren Flächen zu bewirtschaften?
Die Möglichkeit einer Unterstützung der Betriebsleiterin bzw. des Betriebsleiters durch Betriebshelfer (z.B.: Personalleasing, Maschinenring) wird es wie bisher geben. Allerdings sind – wie generell beim Kontakt zwischen Menschen – allfällige Schutzmaßnahmen, die vom Bundeministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) vorgegeben werden, zu beachten.
Nicht gewerbliche Betriebe der Urproduktion haben derzeit noch keinen Zugriff auf die Liquiditätskredite und das Bürgschaftsprogramm der KfW. Das BMEL will daher, eine Öffnung der bisher vorgesehenen Liquiditätskredite und Bürgschaftsprogramme der Bundesregierung auch für landwirtschaftliche Unternehmen und die Einführung verlorener Zuschüsse für Kleinunternehmen.
2. Sicherstellung von Saisonarbeitskräften:
Gerade in den Sonderkulturen, im Garten-, Obst- und Weinbau, kann die Produktion ohne diese Hilfskräfte nicht aufrechterhalten werden. Es wäre der Bevölkerung auch kaum zu vermitteln, dass z.B. bei mangelnder heimische Produktion von Frischgemüse in den nächsten Wochen, soweit verfügbar, ausschließlich aus Spanien, Italien, den Niederlanden und Frankreich bezogen werden kann. Zumal nicht absehbar ist, ob und wie lange von dort geliefert werden kann. Das MLR hatte sich mit Schreiben vom 17.03.2020 umgehend an Frau Bundesministerin Klöckner sowie die Herren Bundesminister Heil, Seehofer und Maas gewandt und um Unterstützung im Hinblick auf die Einreise von Saisonarbeitskräften (SAK) aus Osteuropa gebeten. Seitens des Bundes wurde klargestellt, dass grenzüberschreitendes Reisen aus berufsbedingten Gründen weiterhin zulässig ist und dazu neben Berufspendlern ebenso SAK zählen.
Da es am vergangenen Wochenende dennoch Probleme mit der Einreise von SAK aus Rumänien mit dem Flugzeug gab, hat Herr Minister gemeinsam mit den B-Agrarminister/innen sowie dem Vorsitzenden des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft und dem Sprecher der AG Ernährung und Landwirtschaft der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Herrn Bundesminister Seehofer angeschrieben und erneut um Unterstützung einer pragmatischen Lösung in Bezug auf die Einreiseerlaubnis gebeten. BMEL und BMI haben nun ein Verfahren abgestimmt, um die Einreise von z.B. rumänischen SAK per Flugzeug nach Deutschland zu gewährleisten.
Die Möglichkeit, Ausnahmeregelungen im Arbeitszeitrecht für systemrelevante Tätigkeiten, wozu auch die Landwirtschaft und die Nahrungsmittelproduktion zählt, einzuführen, hat das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg bereits wahrgenommen. Dadurch sind die Verlängerung der täglichen Höchstarbeitszeit auf bis zu 12 Stunden sowie Sonn- und Feiertagsarbeit grundsätzlich möglich.
Ein weiterer Ansatzpunkt stellt die Einrichtung von Jobbörsen dar, welche arbeitswillige heimische Arbeitskräfte (z. B. heimische Arbeitssuchende, Studierende, volljährige Schüler oder Kurzarbeiter) vermitteln. Der Maschinenring Deutschland hat am 23.03.2020, auf Initiative des Maschinenrings Tettnang und der Bodensee-Bauern, eine bundesweite Jobbörse für Erntehelfer gestartet. Unter www.daslandhilft.de können sich Bürgerinnen und Bürger melden, die den Bauern unter die Arme greifen wollen. Das Land wird Partner der Aktion und diese mit 20.000.- € finanziell unterstützen.
Notwendig ist die flexiblere Gestaltung rechtlicher Rahmenbedingungen, welche zur Bewältigung der Arbeit in den Betrieben beitragen kann. So sollte eine sozialversicherungsfreie Beschäftigung über die bisher geltenden 70-Tage hinaus möglich sein. Dadurch würde den Saisonarbeitskräften, die bereits im Land sind, die Möglichkeit gegeben, weiter zu arbeiten. Laut dpa-Meldung hat das Bundeskabinett in seiner Sitzung am 23.03.2020 über die Einbringung eines Gesetzes für erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister auf Grund des Coronavirus (SozialschutzPaket) entschieden. In dessen Rahmen soll die 70-Tage Regel auf 115 Tage ausgeweitet werden.
Durch die Flexibilisierung der geringfügigen Beschäftigung (450 €-Grenze) und Zuverdienstmöglichkeiten könnten Anreize für andere Personengruppen geschaffen werden, beispielsweise durch eine Aufrechterhaltung des Kurzarbeitergeldes bei einem Nebenverdienst. So besteht die Möglichkeit, freiwerdendes Personal aus anderen Branchen (z.B. Gastrogewerbe) für die Landwirtschaft zu gewinnen.
3. Finanzielle Hilfe für Betriebe
Von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sind akut neben den Betrieben, die Saisonarbeitskräfte beschäftigen, v.a. Betriebe am stärksten betroffen, die über (ggf. gewerbliche) Nebenbetriebe direkt betroffen sind (u.a. Gastronomie, Vermietung von Ferienwohnungen, Freizeitangebote z.B. von Pensionspferdehaltern) oder Betriebe, die aufgrund entsprechender Lieferbeziehungen (direkt oder über Zwischenhandel) von den Schließungen mittelbar betroffen sind, da ihnen der Absatz wegbricht (z.B. Aquakultur Fischabsatz zu Ostern an Restaurants, Direktvermarktung an Cateringunternehmen/Restaurants/geschlossene Einrichtungen).
Angebote
- Die Landwirtschaftliche Rentenbank hat deshalb das Programm "Liquiditätssicherung" für landwirtschaftliche Unternehmen (einschließlich Wein- und Gartenbau) geöffnet. Der bisher in entsprechenden Programmen nachzuweisende Ergebnisrückgang von 30% entfällt. Stattdessen ist vom Kreditnehmer darzulegen, inwiefern der Liquiditätsbedarf durch die Corona-Pandemie ausgelöst wurde. Die Darlehen werden von der Rentenbank um einen Förderzuschuss in Höhe von aktuell 1,5 % der Darlehenssumme ergänzt. Diesen Zuschuss erhält der Kreditnehmer bei Auszahlung des Darlehensbetrags. Die Darlehen werden über die Hausbank und die Zentralinstitute beantragt. Eine Kombination mit Bürgschaften der Bürgschaftsbank BW ist möglich. Für gewerbliche Unternehmen bestehen entsprechende Angebote der KfW. Darüber hinaus bestehen derzeit noch keine Angebote in Form direkter Finanzhilfen (Zuschüsse) für Betriebe der Primärproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse.
- In einem ersten Schritt hat das Wirtschaftsministerium die „Richtlinie für die Unterstützung der von der Corona-Pandemie geschädigten Soloselbstständige, Unternehmen und Angehörige der Freien Berufe“, die sich unmittelbar infolge der Corona-Pandemie in einer existenzbedrohlichen wirtschaftlichen Lage befinden oder massive Liquiditätsengpässe erleiden“ auf Basis der Verordnung 1407/2013 (De Minimis gewerblich) erlassen. Diese RL kann von landwirtschaftlichen Betrieben für gewerbliche Teilbetriebe (z. B Gastronomie) genutzt werden. Hilfen für die landwirtschaftliche Primärproduktion sind davon nicht abgedeckt. Die vorgesehene Förderung wird einen einmaligen, nicht rückzahlbaren Zuschuss bis zu einer Höhe von maximal 30.000 Euro für drei Monate, der nach Unternehmensgröße (bis zu 50 Mitarbeiter) abgestuft ist, umfassen.
- Die Bundesregierung bereitet aktuell auf Basis einer entsprechenden EU-Regelung den Erlass der „Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020"). Auf Grundlage dieser Beihilferegelung können beihilfegebende Stellen sog. Kleinbeihilfen an Unternehmen gewähren. Die Gesamtsumme der einem Unternehmen nach dieser Regelung gewährten Kleinbeihilfen darf den Höchstbetrag von 800.000 EUR nicht übersteigen.
Für ein Unternehmen, das im Fischerei- und Aquakultursektor tätig ist, darf die Kleinbeihilfe 120.000 EUR und für ein Unternehmen, das in der Primärproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse tätig ist, 100000 EUR nicht übersteigen. Wenn sich die Kleinbeihilfen der beihilfegebenden Stellen im Rahmen dieser Regelung halten, müssen diese Maßnahmen nicht gesondert bei der Kommission notifiziert werden. Inwieweit diese beihilferechtlichen Möglichkeiten nach deren Erlass für konkrete Hilfsprogramme genutzt werden, wird zwischen Bund und Ländern kurzfristig geklärt.Auf Basis der Kleinbeihilfenregelung können spezifischen Fördermaßnahmen für die Landwirtschaft bzw. den Fischerei-/Aquakultursektor entwickelt werden.