Oberstufe an Gemeinschaftsschulen - Zweite Lesung
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
„Verlässlichkeit, Vertrauen und Vertragstreue sind hochkonservative Werte“ – so wird der Ministerpräsident heute in der Stuttgarter Zeitung zitiert. Richtig! Es fehlt aber noch ein „V-Wort“, das uns insbesondere in der Bildungspolitik beschäftigt und das uns auch weiterhin antreiben wird: Verbindlichkeit.
Wir schwanken nicht beim Niveau des Englisch-Abiturs – selbst wenn mehr Menschen die Petition unterschreiben sollten, als überhaupt Abitur geschrieben haben.
Und wir sind den Schulträgern gegenüber verantwortungsbewusst, wenn wir sie nicht in Investitionen treiben, die sie schon wenige Jahre später wieder bereuen.
Da sich bei der Auschuss-Beratung des Gesetzesentwurfes zur Einführung von Oberstufen an Gemeinschaftsschulen sowie zur Neuregelung der Schulverbund-Möglichkeiten am meisten Streit um die Frage gedreht hat, ob das Ministerium nun bindende, öffentlich-rechtliche Vereinbarungen zwischen benachbarten Kommunen verlangen darf oder nicht, möchte ich mich auf diesen Punkt konzentrieren.
Nehmen wir mal an, Sie sind Gemeinderat in A-Hausen und erfahren in der Sitzung, dass der Gemeinderat von B-Hausen beschlossen hat, an seiner Gemeinschaftsschule eine Oberstufe einzurichten. Auf Ihren Einwand hin: „Das kriegen die doch nicht zusammen“, antwortet Ihr Bürgermeister: „Doch, die zählen einfach unsere Schüler mit.“
Was sagen Sie dann?
Ich weiß, was Sie dann sagen. Sie sagen: „Das dürfen die doch nicht.“
Und – genau so ist es. Das dürfen die doch nicht. Es sei denn, Sie als Gemeinderat stimmen in eben jener Gemeinderatssitzung einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen B-Hausen, A-Hausen und den umliegenden Gemeinden zu, in der Sie auf immer und ewig auf die Einrichtung einer GMS-Oberstufe in A-Hausen verzichten.
Die SPD, die bei der Einführung von Oberstufen an Gemeinschaftsschulen wahrscheinlich genauso gießkannenhaft und bar jeder Haushaltsdisziplin verfahren wäre, wie das bei der Genehmigung der Gemeinschaftsschulen in der letzten Legislaturperiode der Fall war, hat in ihrem Antrag DS16/3667 „Keine neuen Hürden für Gemeinschaftsschulen bei der Einrichtung der gymnasialen Oberstufe einbauen“ selbst erläutert, warum das Ministerium hier zurecht streng ist.
In der Begründung des Antrags, der eigentlich eine laschere Vergabe der Lizenzen als Ziel hatte, heißt es zum Thema Verzichtserklärung der Nachbarkommune:
ICH ZITIERE
„Eine solche Verzichtserklärung stellt eine enorme Hürde auf dem Weg zur Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe dar, weil sie kommunalpolitisch weitreichende Folgen mit sich bringt. Auch wenn die umliegenden Schulträgerkommunen zum Zeitpunkt der Anfrage keine eigene Sekundarstufe II planen, nehmen sie sich mit Unterzeichnung einer solchen öffentlich-rechtlichen Vereinbarung ihren Gestaltungsspielraum für zukünftige Planungen.“
Sie geben also zu, dass die Einrichtung einer Oberstufe an der GMS B-Hausen weitreichende Konsequenzen für die Schulpolitik in A-Hausen haben kann. Damit, meine Damen und Herren, ist die Haltung des Ministeriums mehr als bestätigt.
Dieser Einschätzung schließen wir uns als CDU-Fraktion ausdrücklich an! Nicht zuletzt deshalb, weil der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg dies im Fall der Einrichtung von Gemeinschaftsschulen ebenso gesehen hat und wir nicht erkennen können, warum er bei der Einrichtung von Oberstufen anders entscheiden sollte.
Im Urteil vom 12. August 2014, in der die Nichtgenehmigung eines Standortes betätigt wurde – wohlgemerkt, damals war Frau Dr. Eisenmann noch gar nicht Kultusministerin – weist das Gericht darauf hin, dass es dem Kläger offen stehe, sich freiwillig mit anderen Gemeinden – deren Bereitschaft vorausgesetzt – zu einem leistungsfähigeren Schulträger zusammenzuschließen. Was laut Gericht nicht geht, ist, dass sich eine Kommune auf die Einwohner anderer Gemeinden beruft, ohne dies mit ihnen abzustimmen.
Zitat: „Es gehört nicht zu ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht, schulische Angebote für Einwohner von Nachbarkommunen einzurichten und vorzuhalten.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren. Das bestehende Netz an allgemeinbildenden, beruflichen, privaten Gymnasien bietet für jeden Schüler einen Platz. Keiner in diesem Land macht kein Abitur, weil wir ihm keinen Stuhl in einem Klassenzimmer bieten können.
Ja, nicht jeder macht das Abitur an seiner Lieblingsschule, nicht jeder macht Abitur in seinem Ort.
Aber es ist auch nicht unsere Aufgabe, öffentliche Gelder dafür zu verwenden, zwei- und dreifach parallele Strukturen zu schaffen oder aufrechtzuerhalten, nur um es am Ende jedem recht zu machen.
Verlässlichkeit, Vertrauen und Vertragstreue sind nicht nur Werte, die uns in einer Koalition wichtig sind. Es sind Werte, die wir auch als Land gegenüber den Kommunen und Schulträgern schuldig sind.
Vielen Dank!