Aktuelle Debatte beantragt von der AfD: Klimaplan 2030 – Sargnagel für die Wirtschaft in Baden-Württemberg

Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Über den Begriff „Sargnagel“ sind, glaube ich, genügend Worte gesprochen. Herr Gögel, es ist interessant, wie man sich denselben Fakten zuwenden kann und trotzdem zu anderen Schlüssen kommt. Lassen Sie mich auf Ihre Frage eingehen. Ist dieser Klimaplan, dieser durchaus ambitionierte Plan der Europäischen Union tatsächlich ein Sargnagel, oder ist er, wie es der Kollege von den Grünen gesagt hat, eine Chance für Baden-Württemberg? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Sargnägel für die Wirtschaft in der Regel nicht aus der Politik kommen. Vielmehr gibt es drei einfache Sargnägel. Der erste heißt: „Das geht nicht.“ Der zweite Sargnagel heißt: „Das bringt doch nichts.“ Und der dritte Sargnagel heißt: „Das haben wir noch nie so gemacht.“

Schauen wir uns einmal die Zahlen an. Nach Zahlen der UN haben sich die jährlichen CO2-Emissionen weltweit immer linear zum Bevölkerungswachstum entwickelt. 1850 lebten etwas weniger als eine Milliarde Menschen auf diesem Planeten, und wir hatten eine ungefähre Balance zwischen dem CO2, das ausgeschieden wurde, und dem, was durch natürliche Senken eingefangen wurde. Erst die Industrialisierung hat das geändert, und zwar dergestalt, dass heute fast acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten leben und 34 Milliarden t CO2 ausstoßen, die nicht mehr kompensiert werden. Und die Kurve verläuft auch bislang unverändert linear zum Wachstum der Weltbevölkerung. Daran hat noch nicht einmal Corona etwas geändert. Die Quellen des CO2 sind Gas, Öl und Kohle. Und allein die Endprodukte von Saudi Aramco oder ExxonMobil haben von 1965 bis heute mehr als 100 Milliarden t CO2 in der Atmosphäre verursacht. Gazprom und Chevron sind mit jeweils knapp 45 Milliarden t CO2 nicht viel besser.

Das ist eigentlich ziemlich absurd, wenn man bedenkt, dass jüngst herauskam, dass schon 1982 ein Exxon-Dossier von M. B. Glaser, einem damals für Umweltfragen zuständigen Exxon-Manager, an die Geschäftsleitung geschickt wurde, in dem stand: „Unsere beste Schätzung hat ergeben, dass eine Verdopplung der aktuellen Kohlendioxidkonzentration die globale Temperatur um ungefähr 1,3 bis 3,1 Grad erhöhen könnte.“ Und auch die langfristige Prognose von Exxon – mehr als 3 Grad plus bis 2080 – deckt sich erstaunlich gut mit den aktuellen Zahlen des IPCC. Wohlgemerkt, das ist eine Studie von 1982, und die hat nicht der BUND, sondern Exxon geschrieben.

Verbrannt werden diese Rohstoffe für die Mobilität, das Heizen, die Industrie und die Stromversorgung. Alle vier Sektoren bilden unsere Lebensgrundlage. Ohne Rohstoffe hätte es keine Industrialisierung gegeben, ohne Rohstoffe keine medizinischen und technischen Errungenschaften, ohne Rohstoffe nicht in diesem Maß Ernährung, Chemie und Gesundheit – nicht für acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Und weil dem so ist – da haben Sie, Herr Gögel, recht –, wird es auch so bleiben, dass diejenigen, die Öl fördern, das auch weiterhin tun werden, und sie werden versuchen, sich neue Märkte zu suchen. Und wenn wir es nicht mehr abnehmen, werden das andere tun, was wiederum dazu führen würde, dass das CO2 – da haben Sie recht – woanders entstünde. Deswegen ist ja die Frage, wie wir darauf reagieren.

Genau aus diesem Grund – jetzt wird es anders – sind die Ziele von EU und von uns im Land richtig, eben weil wir den Kampf gewinnen müssen. Wir müssen ihn schon deswegen gewinnen, weil die deutsche Wirtschaft jedes Jahr 85 Millionen t Öl importiert – zu einem Preis von 24 Milliarden €. Und als Technologienation kann unser Land der Schlüssel zur Energie- und zur dazugehörigen Infrastruktur von morgen sein, und zwar weltweit.

Warum wir? Weil gerade Deutschland und Baden-Württemberg in den letzten 30 Jahren bewiesen haben, dass sich Bevölkerungsentwicklung und CO2-Entwicklung voneinander abkoppeln können. Zwischen 1989 und 2019 wuchs die Bevölkerung in Baden-Württemberg um 15 % von 9,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern auf 11,1 Millionen an, die Wirtschaftsleistung legte von 200 Milliarden € auf 500 Milliarden € zu, und dennoch ging der CO2-Ausstoß um 27 % zurück.

Ja, natürlich ist da auch Import mit dabei, aber niemand hat gesagt, dass man nicht auch mit sauberer Energie und mit sauberen Produkten im Welthandel handeln kann. Sie können bereits heute klimaneutrale Baugebiete erstellen, Sie können mit Erdmassenausgleich sinnlose Lkw-Transporte vermeiden, Sie können mit Geothermie und Abwärmenutzung in Kombination mit PV auf dem Dach saubere Wärme und E-Mobilität erzeugen. Sie werden schon in wenigen Jahren Brennstoffzellen-Lkws auf der Straße fahren sehen; sie werden dabei ein Netz von Wasserstoff- und Stromtankstellen haben. Und wir werden Maschinenbauer sehen, die in der Umrüstung auf wasserstoffbasierte Energie Brennstoffzellen und Elektrolyseanlagen herstellen. Das werden genau die Unternehmen sein, die bislang die mehr als 2 000 Produkte im Sektor Dieselmotor herstellen.

Deswegen kommen wir zum zweiten Sargnagel: „Das bringt doch alles nichts.“ Das ist schon wieder falsch. Denn Folgendes ist sicher: Wir werden erstens mehr Menschen werden, diese werden zweitens einen höheren Lebensstandard anstreben, und sie werden immer versuchen, ihn zu den geringsten Kosten umzusetzen. Das heißt, dass unsere Technologien so sein müssen, dass sie konkurrenzfähig sind. Dafür brauchen wir einen industriellen Hochlauf.

Ich erinnere daran, dass die Perspektive entscheidend ist, wenn man über den Klimaschutz spricht. Da müssen wir auch in der sozialen Frage sehr vorsichtig sein. Indira Ghandi, von 1966 bis 1977 indische Ministerpräsidentin, hat gefragt: Wie kann man von den Bewohnern der Dörfer und Slums verlangen, sie sollten etwas gegen die Verschmutzung der Luft, der Flüsse und der Meere tun, solange sie ums eigene Überleben kämpfen?

Also ist das auch eine Frage, ob wir es mit unserer Technologie schaffen, auch die Länder mitzunehmen, die im Moment nur eine Chance sehen, nämlich den Wandel mit der billigsten Energie zu machen, die es auf dem Markt gibt.

Deswegen komme ich zum dritten Sargnagel: „Das haben wir noch nie so gemacht.“ Das stimmt. Aber es gibt einen Schweizer Priester, der 2017 verstorben ist, Kurt Marti, der das einmal schön zusammengefasst hat:

Wo kämen wir hin, wenn alle sagten: „Wo kämen wir hin?“, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen?

Vielen Dank.

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