Aktuelle Debatte - Bildung in Zeiten von Corona

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

Liebe Kolleginnen und Kollegen

 

Wie Sie wissen, trauen wir als Mitglieder der CDU-Fraktion Susanne Eisenmann alles zu - für uns ist sie die Richtige, wenn es darum geht, dieses Land nachhaltig aus der Krise herauszuführen.

 

Deshalb, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, begrüßen wir es ausdrücklich, dass Sie Frau Dr. Susanne Eisenmann offenbar noch mehr zutrauen als wir. Denn wer, wie es im Titel der heutigen Debatte heißt, „die Zukunft unserer Kinder“ zu verspielen vermag, müsste ja im Gegenzug auch die Jeany-hafte Fähigkeit besitzen, der Alleinverantwortliche Zukunftsmacher für unsere Kinder zu sein. Und das, liebe Kolleginnen und Kolleginnen, führt uns zu weit - selbst bei Frau Eisenmann.

 

Wir glauben indes an die Kraft eines afrikanischen Sprichworts: Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen. Wer glaubt, dass allein die Bildungspolitik über das Wohl und Wehe eines Kindes entscheidet, der verwechselt den Lernort Schule mit dem Kristallisationspunkt Schule. Mit dem Ort, an dem alles Leben zusammenkommt. Dieser Kristallisationspunkt Schule ist der Ort, an dem sichtbar wird, was ein Kind in seinem Rucksack mit sich herumträgt - also lassen Sie uns doch mal in diesen Rucksack schauen.

 

In diesem Rucksack liegt zum Beispiel bei den allermeisten Kindern ein Zettel, auf dem draufsteht: Hast du deine Hausaufgaben gemacht?

 

Wer diesen Zettel im Rucksack hat, um den müssen wir uns - egal auf welcher Niveaustufe und in welcher Schule - meist keine Sorgen machen - Pandemie hin oder her, Computer hin oder her, Sprache hin oder her. Denn: „Hast du deine Hausaufgaben gemacht“, ist zwar nur eine einfache Frage. Aber hinter ihr steckt eine Haltung, die Kindern Struktur, Sicherheit und Verlässlichkeit gibt, hinter dieser Frage steckt das echte Interesse an einem Kind und sogar elterlicher Liebe.

 

Und wenn man mit Lehrern spricht, die schon lange dabei sind, dann reden sie genau über diesen Zettel - der eben bei manchen fehlt. Und das sind zufällig genau diejenigen, von denen man auch wochenlang nichts hört. Das sind die, deren Eltern man anruft und sie bittet, dass ihr Sohn oder ihre Tochter doch bitte bitte morgen um 10 an der Videokonferenz teilnehmen soll. Das sind die, zu denen Lehrer nach Hause fahren, um Arbeitsmaterialien abzugeben und einzusammeln - mit verheerenden Ergebnissen. Das sind die ohne Abschluss, ohne Perspektive, die mit den falschen Freunden, den nicht gelingenden Biografien, die mit dem Stein in der Hand, der auf alles geworfen wird, was sich bewegt. Es sind die mit dem Zeigefinger, der auf „die anderen“ zeigt.

 

Dabei wäre es manchmal so einfach. Die Frage „Hast du deine Hausaufgaben gemacht“ hat die Trümmerfrau dem kleinen Hans gestellt, der türkische Gastarbeiter seiner Aysche, der Spätaussiedler aus Russland seinem Juri und der syrische Flüchtling seiner Fatma. Und Hans, Aysche, Juri und Fatma haben eines gemeinsam: Sie sind mit diesem Schulsystem, das wir barrierefrei, ausdifferenziert und kostenlos anbieten, in ein gelingendes Leben gegangen, das sie bis heute führen - ein jeder nach seiner Facon, aber wissend, könnend und selbstbewusst.

 

Wenn man also darüber spricht, was „die Zukunft unserer Kinder“ verspielt, dann darf man sich nicht verhaspeln in den Zungenbrechern pandemiebedingter Unterrichts-Unnormalität. Man muss es auf den Punkt bringen: Diese Krise wirkt wie ein Brennglas auf Probleme, die immer schon da waren. Und um die wir uns deshalb umso mehr kümmern müssen.

 

Ihre Versuche der Vergangenheit, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, waren genau das Gegenteil dessen, was man braucht, um diesem Problem entgegenzuwirken. Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung, Schulversuch Schule ohne Noten, Abschaffung von Sanktionsmöglichkeiten in der Gemeinschaftsschule, Stärkung des Elternrechts als allesentscheidend in Inklusionsfragen, Absenkung der Eingangsbesoldung, Einführung eines ungerechten Vergütungssystems im Lehrerzimmer, Kürzung des Leitungszeit - Ihr Beitrag zur Bildungspolitik in diesem Land bestand darin, einem funktionierenden System in vollem Lauf eine Eisenstange in die Speichen zu jagen. Nicht zuletzt haben Sie mehrere hundert Millionen Euro Schulausbaumittel für Ihre pädagogischen Tagträume ausgegeben, anstatt die Digitalisierung in allen Schularten voranzutreiben.

 

Und Ihre Vorschläge von heute verstärken bei mir den Eindruck, dass Sie es immer noch nicht wahrhaben wollen, dass Schule nur gelingen kann, wenn man dem Elternwillen und dem Wünschdirwas des Alltags Struktur, Leistungsanspruch und Möglichkeiten zur Durchsetzung dieses Anspruchs entgegensetzt.

 

Deshalb kann natürlich nicht die Rede davon sein, dass wir die Schulpflicht ausgesetzt haben - wir haben lediglich dafür gesorgt, dass Kinder zuhause bleiben können wenn es ihr Gesundheitszustand oder der ihrer Umgebung dies verlangt. Und wenn wir das Gefühl haben, dass uns ein Kind verlorengeht, dann haben wir seit Anfang Mai die Möglichkeit es unter Anwesenheitspflicht in der Schule zu unterrichten.

 

Natürlich sind wir den Schülerinnen und Schülern in Fragen der Prüfungsordnung entgegengekommen - das machen wir auch im kommenden Schuljahr. Aber wir lehnen es ab, uns von Durchschnittsabitur-für-alle-Debatten von dem Anspruch abbringen zu lassen, ein leistungsorientiertes Schulsystem auch in Pandemiezeiten aufrechtzuherhalten.

 

Schule ohne Abstand ist ein Ritt auf der Rasierklinge - das ist uns sehr bewusst. Aber dieser Schritt erfolgt ja genau aus dem Motiv heraus, dass Schule nur gelingen kann, wenn sie stattfindet. Und dass wir in der Abwägung zwischen „Alle müssen gesund bleiben“ und „wir wollen die Zukunft unserer Kinder nicht aufs Spiel setzen“ uns eben für einen mutigen Weg für mehr Verbindlichkeit, mehr Kontrolle, mehr Schule, mehr Bildung, mehr Leistung und mehr Verantwortung entschieden haben, ist die Fleisch gewordene Antithese zu Ihrer im Titel dieser Debatte aufgestellte Frage.

 

Und was mich dann am meisten ärgert, das ist, wenn man, aus schierer Verzweiflung heraus, sich auf die Seite derjenigen stellt, die mit verschränkten Armen an der Wand lehnend den Arbeitern in Schule und Gesellschaft vorwirft, alles falsch zu machen.

 

Ja, da läuft auch manchmal was schief. Und ja, das wissen wir auch. Und ja, von uns aus kann Corona auch weg.

 

Aber in diese Debatte um den richtigen Weg durch die Pandemie für1,5 Millionen Schüler, deren Eltern, Arbeitgeber, Omas und Opas, Lehrerinnen und Lehrer, Hausmeister und Schulsekretärinnen, dann alles reinzuvermischen, was einem sonst noch an Bildungsthemen einfällt, ist einfach nur dreist. Ihr ewiger Singsang von der massenhaften Arbeitslosigkeit von Lehrern über die Sommerpause wird nicht besser, wenn man ihn immer wieder bringt: 97 Prozent der Lehrkräfte sind entweder verbeamtet oder fest angestellt, von den verbleibenden 3800 Lehrerinnen und Lehrer ist nur ein Drittel tatsächlich für den Lehrerberuf ausgebildet, und knapp 70 Prozent dieser befristet Angestellten ist in dieser Situation lediglich ein oder zwei Jahre, bevor ein lebenslanger Arbeitsvertrag mit dem Staat winkt. Dass Referendare nicht unmittelbar angestellt werden, sondern erst an ihrer neuen Arbeitsstelle ist das Normalste von der Welt.

 

Bleibt noch Ihre Kritik zum Thema Nachhilfe: Da wundert mich das Rumgeiere schon sehr. Man kann der Meinung sein, Lehrer seien ohnehin zu belastet, um die Lernbrücken durchzuführen. Man kann auch der Meinung sein, die Schüler bräuchten im Sommer Ruhe. Man kann auch der Meinung sein, Schüler bräuchten das Gegenteil von Ruhe. Nur eines kann man nicht: Man kann nicht alle Meinungen gleichzeitig vertreten!

 

Wir haben uns entschieden: Wir bieten Lernbrücken für bis zu 16 Schüler je Gruppe an - für diejenigen, denen der Klassenlehrer ein wenig Nacharbeit empfiehlt. Klar kann man das auch anders machen. Aber bis wir das ausdiskutiert haben, isch der Sommer halt scho rum.

 

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen,

Uns treibt in der Bildungspolitik der Anspruch nach Qualität, Verlässlichkeit, Leistungsorientierung und Struktur. Diesen Anspruch verwirklichen wir in einem differenzierten Bildungsangebot, das der Heterogenität und den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler entspricht. Wir wollen diesem Anspruch auch in der Pandemie so gut es geht entsprechen. Deshalb ist Frau Eisenmann in unseren Augen nicht diejenige, die die Zukunft unserer Kinder verspielt, sondern diejenige, durch die das gelingt, zu was Sie nachgewiesener Maßen nicht in der Lage sind.

 

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