Gesetz zu dem Ersten Staatsvertrag zur Änderung medienrechtlicher Staatsverträge
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Kollege Salomon hat das Thema „Medienstaatsvertrag und Rundfunkstaatsvertrag“ bereits erläutert.
Es ist mir aber schon wichtig, auf diesen Meilenstein der Änderung zum Medienstaatsvertrag noch einmal hinzuweisen.
Dennoch ist es wichtig, die Debatten über die Erhöhung des
Rundfunkbeitrags weiterhin zu nutzen, um uns auch inhaltlich mit den Fragen auseinanderzusetzen:
Warum gibt es die Erhöhung?
Ist sie gerechtfertigt?
Und in diesem Zug debattiert man selbstverständlich auch immer über den Rundfunk selbst.
Ich glaube, das ist auch gut so; denn wenn nicht bei der Bitte um mehr Geld darüber diskutiert wird,
ob ein öffentlich-rechtliches System gut ist, so wie es ist, wann sonst sollen wir das machen?
Ich möchte mich der Bitte von Herrn Salomon in Richtung Sachsen-Anhalt ausdrücklich anschließen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist definitiv das teuerste System der freien Welt,
aber es ist auch das beste der freien Welt.
Es ist vor allem auch das kontrollierteste in der freien Welt.
Der KEF-Bericht umfasst 412 Seiten.
Wen es interessiert, wie die Summe genau zustande kommt:
3 Milliarden € waren für die Beitragsperiode 2021 bis 2024 angemeldet.
Aus diesen 3 Milliarden € sind 1,5 Milliarden € geworden,
und diese 1,5 Milliarden € ergeben auf der Basis von fünf Jahren eine monatliche Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent.
Diese Erhöhung ist genau berechnet, und wir halten sie für angemessen und maßvoll.
Trotzdem: Wenn man diesen Bericht liest, entdeckt man auch Ansatzpunkte, über die man reden muss.
Drei davon möchte ich benennen.
Erstens: Wenn aus jahrelangen internen Reinigungsprozessen und aus einer langen Diskussion darüber,
wo Einsparungen möglich wären, nur eine Bereitschaft zur besseren technischen Zusammenarbeit folgt,
aber keine Diskussion über Intendanzen, die für sich selbst, aus den eigenen Mitteln nicht wirklich lebensfähig sind,
dann ist das schlicht und einfach zu wenig.
Zweitens: Nicht nur die Sender müssen sich fragen, ob Auftrag und Struktur passen. Das ist eine Aufgabe für die Politik.
Denn Auftrag und Struktur sind eine Aufgabe der Politik.
Wenn die Politik sagt: „Das ist mir zu teuer“, dann muss die
Politik auch sagen, was sie nicht mehr möchte.
Das kann man eben nicht an die Intendanzen abgeben.
Drittens: Der rasante Übergang vom linearen ins On-Demand Fernsehen ist eine große Chance, Kosten auf Dauer zu senken.
Das haben wir auch in dieser Pandemie gesehen. Und der SWR spielt hier im Bereich der Mediatheken eine sehr, sehr wichtige Rolle.
Diesen Übergang sollten wir aus purem baden-württembergischen Eigennutz heraus deswegen nicht
schwächen, sondern wir sollten ihn stärken.
Aber abgesehen von unserer Debatte hier und von den Debatten über das System insgesamt treibt mich medienpolitisch,
ehrlich gesagt, eine ganz andere Frage als die Erhöhung viel mehr um:
Was nützt das beste duale System aus privaten und
öffentlich-rechtlichen Medien, wenn andere, unkontrollierbare, unheimlich große und mächtige und vor allem nicht in
Deutschland beheimatete Konzerne wie Google und Facebook
heutzutage mehr Meinung machen als alle Tageszeitungen, Radio- und Fernsehangebote sowie Mediatheken in Deutschland zusammen?
Kollege Salomon hat es angesprochen: Es gibt mit „funk“ jetzt auch ein junges Angebot.
Aber dieses junge Angebot wird genau eine Million Mal auf der eigenen Plattform geklickt – und 398 Millionen Mal auf Youtube.
Das ist schlicht und einfach ein Problem.
Medienpolitik muss deswegen raus aus der Fokussierung auf die immer selben Fragen und hin zu einer aktiveren, gesetzgeberischen und auch kontrollierenderen Rolle.
Wir lassen es wegen fehlender europäischer und deutscher Regeln zu, dass Facebook seine Algorithmen nicht offenlegt,
dass journalistische Angebote zwar gern von den Intermediären benutzt werden – sie leben sogar davon –,
aber die Wertschöpfung hat immer nur einen Haufen, und der liegt eben nicht bei den Verlagen,
er liegt nicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern er liegt letztlich bei den Intermediärangeboten,
die dadurch immer größer und größer werden und zu Monstern heranwachsen, die wir irgendwann nicht mehr kontrollieren können.
Das Beispiel Jens Spahn zeigt ja gerade, dass die Alternative fehlt.
Wenn er erfolgreich kommunizieren will, hat er nur diese eine Möglichkeit.
Und das ist nicht ihm anzulasten, sondern da müssen wir Medienpolitiker uns fragen,
was wir an dieser Stelle falsch gemacht haben.
So wird es leider nicht mehr lange gut gehen.
Unsere Medienvielfalt lebt von vielfältigen Angeboten.
Aber wenn die Verlage und die privaten Radiosender erst einmal zu reinen Satelliten von Facebook und Co. degradiert worden sind,
ist es zu spät; dann rettet uns auch das öffentlich-rechtliche System nicht mehr.
Deswegen habe ich eine Bitte:
Lassen Sie uns am öffentlich-rechtlichen Rundfunk reiben.
Lassen Sie uns aber die viel drängendere Aufgabe, den Erhalt unserer vielfältigen Meinungslandschaft, nicht im Schatten dieser Debatte vergessen.
Vielen Dank