Plenarrede zur Umsetzung der Wasserstoff-Roadmap Baden-Württemberg

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich danke unserem Koalitionspartner, den Grünen, für die Gelegenheit, heute über ein wichtiges Thema auch der CDU-Fraktion, das uns schon seit Jahren beschäftigt, zu reden.

Das Thema Wasserstoff begleitet uns seit Jahren in unseren Papieren, bei unseren Besuchen, wenn wir beim KIT, wenn wir bei der BASF, wenn wir bei den kleinen und großen Unternehmen, wenn wir bei den Energieversorgern sind, wenn es um Wärme geht. Kurz: Wasserstoff ist das Thema schlechthin.

Es ist nicht irgendein Baustein für die Zukunft dieses Landes, sondern wir glauben, dass das Thema Wasserstoff sowohl in der Mobilität und in der Stromproduktion als auch in der Wärmeproduktion und bei der Wertschöpfung der Unternehmen in unserem Land sozusagen eine Schicksalsfrage für Baden-Württemberg ist.

Ich glaube daran, dass die Unternehmen sehr wohl wissen, wie man mit Herausforderungen umgeht. Jeder von uns, der bei den Unternehmen ist, weiß, dass man sie nicht anschubsen muss, sondern dass in diesem Bereich schon sehr viel Geld investiert wird. Deswegen möchte ich mich auf das Thema konzentrieren, das unsere Aufgabe in der Politik ist: die Infrastruktur.

Es wird uns gelingen – davon bin ich überzeugt –, das Problem der elektrischen Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu lösen. Wir werden das durch einen massiven Ausbau in den Bereichen Fotovoltaik, Windkraft, Biomasse und Wasserkraft in Baden-Württemberg schaffen.

Wir werden die Leitungen in unsere Nachbarländer so legen, dass wir über ein sicheres europäisches Netz mit Strom versorgt werden. Davon bin ich überzeugt.

Aber mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor gehen wir nur einen Teil des Weges. Studien der Prognos AG, der AG Energiebilanzen oder von TransnetBW zeigen auf, dass diese Unternehmen, diese Forschungseinrichtungen davon ausgehen, dass wir etwa 40 % unseres Gesamtenergiebedarfs mit erneuerbar erzeugtem Strom decken werden.

100 bis 120 TWh werden – hier gehen die Studien auseinander – weiterhin auf Molekülen basieren, das bedeutet: vor allem auf erneuerbar produziertem Wasserstoff.

Es ist völlig ausgeschlossen, dass dieser Bedarf aus dem Inland gedeckt werden kann. Das heißt, wir werden grünen Wasserstoff in einer Dimension importieren müssen, in der wir heute Öl, Gas und Kohle importieren. Wohlgemerkt: Wir reden von grünem Wasserstoff, den es heute weltweit erst in kosmetischen Mengen gibt.

Bei diesem werden wir in den kommenden Jahren einen weltweiten Hochlauf sehen, wie wir es uns in unseren kühnsten Träumen nicht vorstellen können.

Wer also über grünen Wasserstoff redet, der redet nicht über irgendeinen Baustein, sondern der redet über den Baustein schlechthin, der uns gemeinsam mit anderen erneuerbaren Energiequellen sozusagen raus aus der Kohle, raus aus dem Erdöl, raus aus CO2 -emittierenden Produktionsprozessen, raus aus der Eindimensionalität eines Electric-only-Szenarios und rein in eine erneuerbare Zukunft führt.

Ja, wir haben eine Wasserstoff-Roadmap, die meine Kollegin Niemann schon vorgestellt hat und auf die sicher auch die Ministerin eingehen wird.

1,73 Milliarden € sind bei uns in Baden-Württemberg gelandet. Mit einem ordentlichen Anteil haben wir, das Land, das mitfinanziert. Da geht es um Baumaschinen und Lastwagen, um Blockheizkraftwerke, um Wasserstoffmotoren, um die Energieversorgung von Schiffen und um Planungen, die vor allem die Wirtschaft voranbringen.

Die Technologie wird also nicht unser Problem sein. Der Wasserstoffbeauftragte des Bundes, Stefan Kaufmann, sagt immer: „Weder die Elektrolyse noch die Brennstoffzelle sind eine Raketenwissenschaft.“ Was uns zu schaffen machen wird, ist die Frage der Verfügbarkeit von Wasserstoff in rauen Mengen, um unsere selbst gesteckten Ziele zu erreichen.

Um diese Ziele zu erreichen, möchte ich ein paar Punkte nennen, die uns dabei wichtig sind.

Zunächst einmal muss man sagen: Der Ausbau und die Ertüchtigung der Infrastruktur ermöglichen das Erreichen der Klimaziele in zwei Schritten. In einem ersten Schritt nutzen wir diese Infrastruktur, um Kohle und Erdöl durch Gas zu ersetzen und damit den CO2 -Ausstoß schon jetzt mindestens zu halbieren. In einem zweiten Schritt nutzen wir diese Infrastruktur, um damit grünen Wasserstoff nach Süddeutschland zu bringen, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen.

Der vom Bund versprochene Anschluss Süddeutschlands an ein vom Norden versorgtes Backbonenetz, liebe Kollegin Niemann, macht mir große Sorgen. Erstens macht mir die Zahl 2035 Sorgen. Wenn wir uns anschauen, wie es mit dem Strom vorangeht, dann können wir uns vorstellen, auf welche Zeiträume wir uns hier einstellen müssen.

Zweitens heißt 2035 für Baden-Württemberg ja nur: für den Anschluss Baden-Württembergs. Da sind wir noch lange nicht in Südbaden, da sind wir nicht in Hohenlohe, da sind wir nicht in Südwürttemberg, und wir sind noch lange nicht im Schwarzwald. Wenn man mit Vertretern von Transnet redet, dann sagen die: Frühestens – wenn wir 2035 Wasserstoff-Backbo­ nenetze in Baden-Württemberg haben – 2040, 2045 im ganzen Land. Das ist schlicht und einfach zu spät.

Deswegen möchte ich schon darum bitten, dass wir die Mittel, die jetzt z. B. im Klimafonds des Bundes auf die Seite gelegt wurden, auch dafür nutzen, eine Wasserstoffinfrastruktur für das ganze Land und nicht nur für den Norden aufzubauen.

Parallel dazu müssen wir unsere Versorger dabei unterstützen, das bestehende Netz H2-ready zu machen. Das bedeutet zum einen, dass wir das bestehende Gasnetz ertüchtigen. Das ist der kleinere Part.

Der größere Part ist, dass wir auch neue Leitungen bauen müssen, und zwar in einer Qualität und Größe, die dem Endausbau standhalten.

Als Drittes fordern wir, dass sich die Landesregierung nicht nur auf die Zusagen des Bundes verlässt. Sie muss parallel zu innerdeutschen Projekten gemeinsam mit Bayern, Österreich und weiteren Ländern in Richtung Süden schauen und möglicherweise eine neue Versorgungsleitung, eine zusätzliche Versorgungsleitung von der Adria, von Triest nach Süddeutschland in den Blick nehmen.

Italien könnte als Transferland eine Schlüsselrolle für in Nordafrika produzierten grünen Wasserstoff spielen, aber nur dann, wenn Megaprojekte auch auf subnationaler Ebene angestoßen werden.

Zu guter Letzt geht es bei der Wasserstoffversorgung auch um Planungsbeschleunigung und Planungssicherheit. Wenn Umweltverbände z. B. bei der geplanten und, wie man so schön sagt, umstrittenen Gasleitung SEL davon sprechen, dass – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin aus einem Bericht in der „Rhein-Neckar-Zeitung“ – „die Pläne zu kritisieren seien, weil die SEL durch zahlreiche artenreiche Schutzgebiete und Weinberge führen soll“, dann, kann ich nur sagen, hat jemand die Dimension, um die es geht, nicht verstanden.

Erstens geht es um Leitungen, die im Boden vergraben werden. Das heißt, der Weinberg und das, was auch immer darüber war, können hinterher wieder entstehen.

Zweitens bedeutet keine SEL nun einmal kein Wasserstoff-Backbonenetz, und das wiederum heißt: kein Backbonenetz für Baden-Württemberg und keine Wasserstoffversorgung im Jahr 2035 oder 2040.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns gemeinsam in diesem Haus – zumindest habe ich es so wahrgenommen – auf den Weg gemacht, die Energieversorgung in Baden-Württemberg auf neue, stabile, weniger für internationale Krisen anfällige, nachhaltige und klimaneutrale Beine zu stellen.

Hierfür braucht es Ideen, Forschergeist und Kapital. Es braucht aber vor allem auch politischen Willen und politische Entschlossenheit.

Vielen Dank.

Zurück