Plenarrede zur Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
In zweiter Lesung verabschieden wir heute die erste von mehreren Klimaschutzgesetznovellen, die sich Grüne und CDU für diese Legislaturperiode vorgenommen haben. Wie Frau Kollegin Niemann bereits ausgeführt hat, geht es maßgeblich darum, die Nettotreibhausgasneutralität bis 2040, die Fotovoltaikpflicht auf Gebäuden sowie die Ausweisung des 2-%-Flächenziels für erneuerbare Energien gesetzlich umzusetzen.
Zudem verpflichten wir das Land über den Entschließungsantrag, beim Ausbau der Fotovoltaik entschieden voranzugehen. Denn wer den Bürgern sagt: „Du musst“, der muss auch selbst, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Aber mehr noch als die Details, die Sie längst kennen, geht es uns, der CDU, mit dieser Novelle um einen Paradigmenwechsel in der politischen Debatte. Es geht in der Klimapolitik, soweit wir sie als Land verantworten, künftig nicht mehr um die Frage des Ob, sondern es geht nur noch und ausschließlich um die Frage des Wie. Baden-Württemberg, Deutschland und Europa haben sich auf den Weg gemacht, eine 150 Jahre alte, auf fossilen Brennstoffen basierende Industriemobilität und Wärmebereitstellung auf erneuerbare Energiequellen umzustellen, und das in einem Zehntel der Zeit und ohne unsere Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze oder unseren Wohlstand zu gefährden.
Das alles geschieht in der Erwartung eines weiteren Bevölkerungswachstums, einer Steigerung der Wirtschaftsleistung und eines erhöhten Platzbedarfs für Wirtschaft und Wohnen. Das ist, gelinde gesagt, ambitioniert.
Wegen dieser multiplen Herausforderungen empfinden wir dieses Gesetz auch nicht als Abitur, als Abschlussprüfung, als Diplom, auf dem man sich ausruhen kann, sondern – das ist unsere gemeinsame Auffassung – dieses Gesetz ist ein Hausaufgabenheft, das es abzuarbeiten gilt.
Wenn wir die Fotovoltaikpflicht umsetzen, müssen wir die Netzanbindung beschleunigen. Wir müssen den Konflikt sich widerstrebender Ziele wie Dachbegrünung oder Denkmalschutz auflösen. Wir müssen, wie es richtigerweise im SPD-Entschließungsantrag heißt, Gernot Gruber, soziale Fragen berücksichtigen – allerdings nicht im Gesetz, sondern in der Verordnung. Wir müssen Engpässe im Handwerk und Lieferengpässe bei Modulen berücksichtigen, und wir müssen steuerliche Fragen klären, so, wie es das Musterbeispiel Fotovoltaikanlagen bis zu 10 kWp vorgemacht hat.
Wer das lösen will, der muss auch mittelfristig eine Alternative zum Monstrum EEG anstreben. Das ist eine Hausaufgabe für wen auch immer, der künftig im Bund regieren wird.
Doch machen wir uns nichts vor. Wer das erreichen will, was Gegenstand dieses Gesetzes ist – im Grundsatz die Klimaneutralität bis 2040 –, der muss weitaus mehr tun, als jetzt im Gesetz steht. Wer die Energiewende schaffen will, der darf nicht nur Minderungsziele vorschreiben, der muss auch Ausbaupläne vorlegen.
Das tun wir in diesem Gesetz z. B. mit der Verankerung des 2-%-Flächenziels für erneuerbare Energien. Aber auch hier ist Sorgfalt gefragt. Denn das Planungsrecht obliegt bekanntlich den Kommunen. Deshalb hilft es wenig, wenn in der Anhörung nach dem 2-%-Ziel gleich das 3-%-Flächenziel gefordert wird, wie es bei der Anhörung geschehen ist. 2 % sind immerhin 770 Millionen m2 . 2 % sind angesichts anderer Zwänge in der Regionalplanung oder der Selbstverpflichtung, den Zubau der Landschaft nicht weiter zu beschleunigen, ambitioniert genug.
Also, lassen Sie uns doch einfach mal damit anfangen und nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun.
Ob uns das gelingt, ob uns die Umsetzung dieses Grundsatzes gelingt, hängt auch von anderen Fragen ab. Welche Zielkorridore verfolgt das Land in den Sektoren elektrische Energie und Wasserstoff? Wie beschleunigen wir Genehmigungsverfahren für dafür notwendige Infrastrukturprojekte? Auf welche Netze greifen wir zurück, welche müssen wir erneuern, und welche müssen wir zubauen? Woher kommen die von Experten in der Anhörung vorgebrachten 90 TWh elektrische Energie bis zum Jahr 2040? Wie verdreifachen wir die Zahl der erneuerbaren Energiequellen im Land bis 2030 und verfünffachen sie bis 2040? Wer produziert grünen Wasserstoff, und wie kommt er nach Baden-Württemberg? Und darf Wasserstoff nicht auch mal blau oder türkis sein? Muss er vom ersten Moment an schon grün sein? Und wenn dieser Wasserstoff erst einmal da ist, wie wird er dann so verteilt, dass wir große CO2 -Emittenten wie die Zement- oder die Stahlindustrie, die Glas- oder Papierherstellung, die Heizkraftwerke und die Netzstabilisatoren schnellstmöglich damit versorgen?
Sie sehen: Jede Antwort, die wir geben, wirft neue Fragen auf. Diesen Fragen werden wir uns widmen, gemeinsam und ambitioniert. Wir laden das Parlament ein, mitzubauen an dieser neuen Welt. Ein erster Baustein dazu könnte sein, dass Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen.
Vielen Dank.