Plenarrede zur Weltklimakonferenz in Glasgow

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was haben Keith Pitt aus Australien und Paulo Andrade aus Ecuador gemeinsam? Sie beide sind bzw. waren Wasserminister ihrer Länder. Das Wort „Wasser“ kommt in ihrem Ministertitel vor. Mir ist aufgefallen, als wir jetzt gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten, mit Herrn Staatssekretär Hassler, mit Umweltministerin Walker, mit dem Kollegen Karrais von der FDP/DVP in Glasgow waren, dass auch die Gesprächspartner dort Wasserminister hatten. Es handelte sich um zwei Regionen in Spanien; die eine war Andalusien, und die andere war Katalonien. Das heißt, das Thema Wasser spielt in anderen Ländern offensichtlich schon eine andere Rolle als bei uns. Da geht es nämlich nicht um die Sicherung von Thermalquellen, sondern um die Sicherung von Wasser in der Klimakrise.

Wenn wir uns in der Welt umschauen, dann schauen wir z. B. zum Brahmaputra; das ist ein sehr, sehr großer Fluss im Himalaya, um den sich zurzeit Indien, Bangladesch und China streiten. China plant dort ein Wasserreservoir, mit dem man u. a. 60 GW Stromleistung installieren, aber natürlich das Wasser auch nach China ableiten kann. Dafür werden Berge gesprengt, damit das Wasser so umgeleitet werden kann, dass es am Schluss in China landet. Dort hat es sogar schon Schießereien gegeben. Wenn man so möchte, ist das der erste kleine Krieg um das Wasser, den wir erleben.

Nun kann man sagen: „Ja gut, kein Wunder, die Chinesen sind ja auch schuld an der Klimakrise. Sie belasten die Erde jedes Jahr mit 11,5 Milliarden t CO2 . Da sind wir mit unseren 0,8 Milliarden t eigentlich gut dran.“ Der Witz ist nur: Im Jahr 1970 hat China 0,9 Milliarden t CO2 verbraucht, also ungefähr so viel wie wir heute.

Was ist denn nun zwischen 1970 und 2019 – aus diesen Jahren stammen die Zahlen – passiert? 1970 haben die Deutschen ihre eigene Kohle aus dem Boden geholt. Sie haben ihren eigenen Stahl verhüttet. Sie haben den Stahl in ihren eigenen Autos verbaut, und die Autos sind hier verkauft worden und umhergefahren. Und heute? Heute wird unser Stahl, unser Plastik, alles, was wir so brauchen und was wir in unserer Welt nicht mehr haben wollen, in China produziert, aus der Erde geholt, verhüttet, nach Deutschland gebracht, auch hier nach wie vor in unsere Maschinen und Autos verbaut. Und wie in einer Posse wird das Auto dann, wenn es fertig ist, wieder nach China verkauft.

Wenn ich auf Ihre Tische schaue, darauf, worauf Sie gerade herumhacken, dann weiß ich: Auf den allermeisten Geräten steht „Designed in California“ und „Produced in China“ – und zwar von vorn bis hinten.

Da dürfen wir uns nicht wundern, dass China jedes Jahr 11,5 Milliarden t CO2 produziert. Indien ist dabei, irgendwann einmal 1,5 Milliarden Menschen – ebenso wie China – zu haben, und macht es an dieser Stelle nach.

Wenn man nach Glasgow schaut und hört, über was dort geredet wird, dann fehlt mir der Glaube, dass wir plötzlich aufhören zu fahren, aufhören zu fliegen, aufhören zu produzieren. Ich glaube nicht, dass unsere Kinder in kälteren, kleineren Wohnungen wohnen wollen, weniger Geld verdienen wollen, weniger Wohlstand haben möchten. Die Welt wird irgendwann in der Mitte dieses Jahrhunderts fast zehn Milliarden Menschen haben, die alle das gleiche Ziel haben.

Wenn wir nicht wollen, dass das alles in einer Katastrophe endet, in einer, die viel größer ist als die militärische Auseinandersetzung zwischen China und Indien, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten, wie wir diese Katastrophe verhindern könnten. Wir sollten statt des Wortes „Klimawandel“ vielleicht einmal wieder das Wort „Klimaerhitzung“ benutzen. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Effizienz und Technologie.

Das MOU, das wir – mit „wir“ meine ich Baden-Württemberg – in der „Under2 Coalition“, die ja jetzt eigentlich „Under1.5 Coalition“ heißen müsste, unterschrieben haben, hat natürlich den Verkehr im Blick, hat die Häuser im Blick, hat die Wärme im Blick, hat die Industrie im Blick. Aber den Punkt 9, die neue Ziffer 9, finde ich fast am spannendsten. Da geht es darum, dass wir uns bemühen möchten, Finanzinstrumente zu entwickeln, um privates Kapital in den Hochlauf einer klimaneutralen Weltwirtschaft zu bringen. Das, meine Damen und Herren, ist meines Erachtens ein entscheidender Punkt.

Als ehemaliger Banker weiß ich, was man braucht, damit jemand investiert. Damit jemand investiert, braucht er verlässliche Rahmenbedingungen. Er muss wissen, dass das, wofür er heute Verträge abschließt, wofür er heute Fabriken baut, morgen noch immer gilt. Deswegen sind wir, ist die Politik dafür verantwortlich, weltweit, aber auch bei uns in Baden-Württemberg verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen.

Da haben wir auch schon relativ viel geschafft. Wir haben einen deklarierten Kohleausstieg. Wir haben einen deklarierten Atomausstieg. Wir haben – das mag einem gefallen oder nicht – durch die Fotovoltaikpflicht einen ziemlich klaren Ausbaupfad in der Fotovoltaik.

Wir haben – Kollegin Niemann hat es gesagt – durch das 2-%-Flächenziel ausgebracht, dass wir 1 000 Windräder bauen wollen. Und wir werden diese 1 000 Windräder in Baden-Württemberg bauen, weil wir sie bauen müssen, weil es anders gar nicht geht.

In diesen Rahmenbedingungen müssen wir weiter gehen, z. B. wenn wir über grünen Wasserstoff reden. In Glasgow redet man ja ziemlich viel über grünen Wasserstoff. Ich habe z. B. jemanden getroffen, der aus Südaustralien kommt. Der hat mir erzählt, dass die Region Adelaide ein Rahmenabkommen mit Rotterdam geschlossen hat. Im australischen Outback wird also mit Fotovoltaik grüner Wasserstoff produziert, der zu Ammoniak umgewandelt und per Schiff nach Rotterdam transportiert wird.

Ein weiteres Memorandum, das dort unterschrieben worden ist, umfasst eine Pipeline, die von Rotterdam nach Deutschland geht. Und das Unternehmen, welches das unterschrieben hat, ist RWE. Das heißt, dieser Markt hat längst begonnen. Manchmal bin ich mir in diesen Hallen wie auf einer Verkaufsveranstaltung vorgekommen. Während man bei der ITB Caravans verkauft, wird dort grüner Wasserstoff verkauft.

Das heißt, das alles, worüber wir reden – diese Neutralität –, ist machbar, ist technisch umsetzbar. Diese Neutralität braucht gute Rahmenbedingungen, sie braucht finanzielle Ausstattung, und sie braucht unser aller Hilfe, damit sie funktioniert.

Dabei hilft nicht nur die Taskforce. Denn jedes Gesetz, jede Verordnung, die wir haben, lebt ein Stück weit immer auch von den Menschen, die sie umsetzen. Deswegen geht es auch um den Geist, der herrscht. Jeder von uns wird auf Veranstaltungen eingeladen, auf denen irgendjemand gegen irgendetwas ist. Es ist immer relativ leicht, sich wegzuducken, sich vielleicht klein zu machen, vielleicht auch einmal ein paar schwammige Aussagen zu treffen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, zu sagen: „Wir haben ein Gesetz gemacht und unterschrieben. Darin steht: Klimaneutralität bis 2040. An dieses Gesetz werden wir uns halten.“ Und um dieses Gesetz umzusetzen, müssen wir das tun, worüber hier gerade diskutiert wird.

Ich möchte meiner Tochter irgendwann einmal nicht erzählen: Weißt du, wir hätten das schon irgendwie hinbekommen, aber Windräder sehen einfach blöd aus.

Ich glaube nicht, dass das die Haltung sein darf, die wir in diesem Jahrhundert haben sollten.

Es gibt in der Geschichte viele Menschen, die diese Situationen beschrieben haben, wenn man Dinge tun muss, die etwas mit Überzeugung zu tun haben. Der Heilige Augustinus sagte: „Es muss in dir brennen, was du in anderen entzünden möchtest.“ Mein Lieblingsbild ist zurzeit eines von Don Bosco, des ersten Jugendseelsorgers, den es auf der Welt wohl gab. Er hat gesagt: „Wer Menschen fischen will, muss sein Herz an die Angel hängen.“ Lassen Sie uns also als Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger vorangehen, bevor uns andere vorweggehen.

Vielen Dank.

Zurück