Qualitätssicherung im Zusammenhang mit der Inklusion

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Inklusion ist eine der großen bildungspolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahre. Ich bin fest davon überzeugt: Vom gemeinsamen Unterricht können Kinder mit und ohne Behinderung profitieren.

Meine Tochter, die in zwei Jahren in die Schule kommt, wird in eine andere Schule gehen, in eine Schule, in der auch Menschen aufgenommen werden, die geistig oder körperlich behindert sind. Das wird sie verändern. Ich bin gespannt darauf, und ich hoffe, dass es ihr guttut, und ich gehe auch davon aus, dass es ihr guttut, und zwar deswegen, weil ich glaube, dass der Umgang mit Menschen, die unsere Hilfe brauchen und die vielleicht unsere besondere Aufmerksamkeit brauchen, gelernt werden muss. Auch hier gilt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

Die Inklusion hat, wie die Schule allgemein, viele Gesichter. Für mich hat die Inklusion drei Gesichter.

Das erste Gesicht ist ein junges Mädchen, das ich in einem Kinderheim in meiner Heimatstadt, in der ich auch Stiftungsrat bin, kennengelernt habe. Sie wird nie in eine normale Schule gehen können, obwohl sie nicht an den Rollstuhl gefesselt ist und auch ansonsten körperlich unversehrt ist. Aber sie hat eine Seele, die gebrandmarkt ist von vielen Erlebnissen in der Kindheit, mit denen sie nicht fertig wird.

Für sie ist es gut, eine Schule zu haben, in der vielleicht nur sieben oder acht Schülerinnen und Schüler pro Klasse sind und in der sich besonders ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer um sie kümmern.

Das zweite Gesicht ist Jaqueline. Ich habe ihr vor zwei Wochen einen Preis für soziales Engagement überreicht. Sie ging in ein SBBZ, zunächst in eine Förderschule, weil sie Schwierigkeiten hatte, zu reden, mit anderen zu kommunizieren, sich in einer Gesellschaft wohlzufühlen. Seit der siebten Klasse geht sie in eine Werkrealschule. Sie hat sich sehr gut gemacht, und sie wird wahrscheinlich auch ihre schulische Laufbahn fortsetzen.

Das dritte Gesicht der Inklusion ist Calvin. Calvin ist ein sehr aufgeweckter junger Bursche, und, Herr Kern, auch er geht in ein Bildungszentrum. Das heißt schon so, seit die Steyler Missionare in Blönried es gegründet haben. Auch das ist trotzdem eine ganz normale Schule, ein Gymnasium. Seine Mitschüler mögen ihn sehr, sehr gern. Er kann gut Fußball spielen, er schreibt sein Matheheft fast so gut wie sein Nachbar – mit dem einzigen Unterschied: Er schreibt es mit den Füßen, weil er keine Arme hat. Es ist gut, dass Calvin in diese Schule gehen darf und gehen kann, was früher nicht der Fall war.

Es gibt die Inklusion an der Regelschule, es gibt die Beschulung an den Sonderschulen, und es gibt den Besuch der Außenklassen. Das sind die drei Wege, die wir vorgesehen haben. Für die Entscheidung darüber, welcher Weg eingeschlagen wird, gibt es die Bildungswegekonferenz, die noch aus Zeiten der letzten CDU-geführten Landesregierung stammt, als Modellversuch, die nun im Inklusionsgesetz umgesetzt wurde und der wir auch sehr stark vertrauen.

Nichtsdestotrotz ist Inklusion ein langer Weg, und – Frau Boser hat es beschrieben, und auch Sie, Herr Kern, haben es gesagt – niemand hat je behauptet, dass wir bereits am Ende des Weges wären.

Die Frage ist, ob wir die Weichen richtig gestellt haben.

Wir wollen erstens die Voraussetzungen an den Regelschulen schaffen. Das heißt, wir werden bis zum Schuljahr 2022/23 zusätzliche 1 350 Stellen für den Ausbau und die Steuerung der Inklusion schaffen.

Zweitens: Wir wollen die Sonderschulen erhalten und zu den SBBZ weiterentwickeln. Denn woher, Herr Kern, sollen denn die Beratungen kommen, wenn nicht aus den Sonderschulen?

Drittens: Wir werden deshalb das Berufsbild des Sonderpädagogen attraktiv halten. U. a. wird ab September dieses Jahres auch schon am Pädagogischen Fachseminar in Schwäbisch Gmünd ausgebildet.

Viertens: Die Lehrerinnen und Lehrer an den Regelschulen werden durch Fortbildungen auf die Inklusion vorbereitet.

Da Sie, Herr Dr. Kern, darauf hingewiesen haben, dass es auch um die Barrierefreiheit geht, muss man schon zart darauf hinweisen, dass die Barrierefreiheit Sache des Schulträgers ist und dass auch die Versorgungsquantität und -qualität der Schulassistenz im Zuge der Eingliederungshilfe nach SGB VIII und XII Sache der Stadt- und Landkreise ist. Das Land unterstützt und fördert die Bemühungen – Frau Boser hat es gesagt –, aber umsetzen müssen es die Kommunen und Landkreise vor Ort schon selbst.

Für uns, die CDU-Fraktion, ist aber auch eines wichtig: Inklusion um jeden Preis darf es nicht geben. Wir müssen fördern. Wir dürfen das System und auch die Menschen, die darin arbeiten und leben, auch nicht überfordern.

Ich sehe die Inklusion als einen Prozess. Wir haben einen Weg begonnen. Der Weg ist nie von Anfang an perfekt. Wichtig ist, dass wir die Weichen richtig stellen. Wenn wir diesen ganzen Prozess beständig überwachen, überprüfen und auch evaluieren, bin ich mir ziemlich sicher, dass wir diesen Weg auch schaffen werden, so, wie wir es an vielen anderen Punkten auch geschafft haben.

Lassen Sie uns Zeit, diesen Prozess gut zu gestalten. Bedacht, Entschlossenheit und Sorgfalt ist das, was wir den Kindern, den Eltern und den Lehrerinnen und Lehrern am allermeisten schuldig sind. Vielen Dank.

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