Rede zur Änderung des Naturschutzgesetzes

Sehr geehrte Frau Präsidentin

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

der vorliegende Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und FDP geht in die richtige Richtung. Und zwar deshalb, weil eine Übertragung der Entschädigungsfragen in ein Gesetz und damit in die rechtliche Obhut des Landes unabdingbar ist, wenn die Zahl der Wölfe in Baden-Württemberg zunimmt und die Frage der Entschädigung nicht mehr nur auf Einzelfälle reduziert ist. Deshalb vielen Dank für die Initiative, die ja auch diese Debatte heute ermöglicht.

Allerdings springen Sie mit diesem Änderungsgesetz zu kurz. Und zwar aus folgenden Gründen:

Erstens schreiben Sie in Ihrer Begründung, „Für Nutztierhalter ist es wichtig, dass sie sich bei Einhaltung der notwendigen Vorkehrungen gegen Nutztierrisse durch Wölfe auch auf Entschädigungen verlassen können.“ Dann heißt es aber im Entwurf: „Werden durch wild lebende Tiere der Arten Wolf oder Luchs – übrigens, warum nicht auch Bär? – Sachschäden verursacht, so KANN den Betroffenen nach Maßgabe des Haushaltsgesetzes ein Schadensausgleich bezahlt werden.“ Kann heißt nicht muss, sicher wird das Ganze also nur, wenn in der Haushaltsgesetzgebung entsprechend nachgebessert wird.

Zweitens sind Nutztierhalter nicht nur bei Rissen wirtschaftlich geschädigt, sondern auch schon vorher: Nämlich durch das Umsetzen von Vorkehrungsmaßnahmen, die Voraussetzung für eine eventuelle Entschädigungsleistung sind. Ob der Zaun nun 120 oder 140 Zentimeter hoch ist, und ob er jetzt 1000 oder 2000 Volt hat – er muss gekauft, mühsam aufgestellt und ab und zu auch versetzt werden. Eine Entschädigungsregelung für diese Arbeit steht nicht in Ihrem Gesetz. Hier fordern wir aber, dass diese Kosten zu 100 Prozent vom Land getragen werden müssen.

Also: Wenn schon Gesetz, dann richtig, und zwar im Sinne einer Haftungsregelung, die dem § 40 Abs. 6 des Sächsischen Naturschutzgesetzes entspricht.  Sie haben in Ihrem Entwurf zwar Teile davon übernommen, aber es lohnt sich, sich den gesamten Paragrafen 40 mal durchzulesen. Da ist auch vom Ausgleich besonderer Härte die Rede, vom Ausgleich für Bewirtschafter, die durch die Einhaltung des Bundesnaturschutzgesetzes so eingeschränkt werden, dass sie ihre Bewirtschaftung aufgeben müssen.

 

 

 

Das bringt uns zu der grundsätzlichen Frage, um die wir heute keinen Bogen machen dürfen:

Warum wollen und müssen wir überhaupt etwas regeln?

Ist das, was ab jetzt passieren wird, wirklich unausweichlich? Haben wir uns das gut überlegt?

Ist Freude angebracht, wenn ein Tier zurückkehrt in eine Welt, die auf keinem Quadratzentimeter mehr so ist wie sie vor 150 Jahren war?

 

Ich sage: Nein. Und ich sage das nicht nur als naturschutzpolitischer Sprecher der CDU, der Angst hat um die Weidewirtschaft, um die extensive Bewirtschaftung und um unsere naturschutzfachlichen Ziele, die wir mit viel Geld für Landschafterhaltungsmaßnahmen hegen und pflegen.

Ich sage das auch als jemand, der in einer der Gegenden wohnt, in der schon in Kürze das passieren könnte, was in Bad Wildbad passiert ist. Ich wohne in Alleinlage nahe eines Naturschutzgebietes, in einer Kulturlandschaft, deren Größe und Güte ausreicht, um ein Rudel zu beherbergen.

Ich sage das also auch aus Angst um meine eigenen Pferde, die ich bislang auch nachts draußen lassen kann. Ich sage das aus Angst um meinen Nachbarn, der Pferde züchtet und sie draußen als Herde leben lässt. Ich sage das aus Angst um die Schäferei im nächsten Dorf, die Schafwolle verarbeitet und die nicht möchte, dass diese Schafwolle irgendwann nicht mehr aus der Region kommt. Ich sage das aus Angst um einen anderen Nachbarn, der gemäß Demeter-Richtlinien Kühe mit Hörnern draußen auf der Weide hält. Und ich sage das aus Angst als Vater, dem der Spruch „der tut nichts, der guckt nur“ nicht reicht, um ruhig zu bleiben, wenn meine Tochter von einem Ausritt in den Wald zu spät zurückkommt.

 

Und ich sage das als Mitglied dieses Parlaments: Lassen Sie uns gemeinsam prüfen, ob wir auch innerhalb der gegebenen Grenzen dem Wolf selbst Grenzen aufzeigen können. Konkret: Ob wir Wolfs- und Nicht-Wolfsgebiete ausweisen können, so wie das auch beim Rothirsch der Fall ist. Ob wir es tatsächlich mit einem bedrohten Tier zu tun haben, wenn die Population in Europa und auch in Deutschland so stabil ist wie sie offenbar ist. Ob wir hier nicht jahrelange Mühen für eine naturnahe Bewirtschaftung mit einer falschen Willkommenskultur zunichte machen.

 

Ich möchte, dass wir uns diesen Fragen stellen. Und deshalb lasse ich Sie auch mit dieser Frage zurück.

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